Einige Klärungen aus dem Buch Himmel und Hölle

(einem der Grundwerke der spiritistischen Lehre)

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Teil 1 

                                     Die Lehre 

 

Kapitel 1

 

       Der Glaube an das Weiterleben nach dem Tod

         und der Glaube an das Nichts nach dem Tod

 

Wir Menschen leben, denken, handeln und sterben. Aber wohin gehen wir, wenn wir sterben? Was wird nach dem Tod aus uns? Werden wir weiter existieren oder nicht? Wird es uns besser oder schlechter gehen? Werden wir ewig leben, oder wird unser Dasein endgültig zu Ende gehen?

Jeder Mensch hat das Bedürfnis zu leben, zu genießen, zu lieben und glücklich zu sein. Wenn man einem sterbenden Menschen versicherte, dass er am Leben bleiben werde, dass er vor allen Dingen glücklicher sein werde, als er es jemals war, dann würde sein Herz vor Freude klopfen. Aber was würde dieses sehnsüchtige Verlangen nützen, wenn es ein Lufthauch zunichte machen könnte? Gibt es wohl etwas, was entmutigender ist, als die Vorstellung der kompletten Zerstörung von unserem Selbst? Unsere Beziehungen zu den von uns geliebten Menschen, unser im Leben erzielter Fortschritt, unser mühsam erworbenes Wissen, unsere Erinnerungen und Erfahrungen: alles auf einmal zerstört, alles verloren! Jede Anstrengung, unsere Laster zu bändigen, uns zu bilden und unseren Fortschritt zu fördern wäre völlig sinnlos, da uns das alles vielleicht bereits morgen nichts nützen würde.

Durch den Glauben an das Nichts nach dem Tod konzentriert der Mensch all seine Gedanken zwangsläufig auf das gegenwärtige Leben. Die Tatsache, dass sich der Mensch ausschließlich mit der Gegenwart befasst, führt dazu, dass er vor allem an sich selbst denkt. Dies ist somit der stärkste Anreiz zum Egoismus und bringt ihn auf folgenden Gedanken:

“Lasst uns das Leben genießen, solange wir da sind; lasst uns das Leben soviel wie möglich genießen, denn mit dem Tod geht alles zu Ende. Lasst uns aber schnell genießen, denn wir wissen nicht, wie lange wir noch leben werden.“

Es gibt auch diejenigen, die zu folgendem für die Gesellschaft noch gravierenderen Schluss kommen:

“Lasst uns das Leben genießen, jeder für sich, denn das Glück auf Erden gehört den Listigen.“

Wenn die Rücksicht auf andere Menschen manche Leute davon abhält, was würde diejenigen zurückhalten, die auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen? Diese glauben, dass das menschliche Gesetz nur die Törichten erwische und nutzen daher ihr ganzes Geschick bei der Suche nach einem Weg, sich ihm zu entziehen.

Der Glaube an das Nichts nach dem Tod zählt ohne Zweifel zu jenen Glauben, die der Gesellschaft großen Schaden anrichten. Denn, ohne dass man es bemerkt, zerreißt er die wahren Bande der Solidarität und der Brüderlichkeit, auf denen die gesellschaftlichen Beziehungen beruhen. Nehmen wir zum Beispiel an, dass ein ganzes Volk, aus irgendeinem Grund, die Gewissheit erlangt, dass es innerhalb von acht Tagen, einem Monat oder einem Jahr untergehen und es keinen Überlebenden geben wird. Was wird dieses Volk tun, während es seinen Untergang erwartet? Wird es sich um seinen Fortschritt weiter bemühen? Werden die Menschen die Rechte, das Eigentum und das Leben ihrer Mitmenschen respektieren? Werden sie sich irgendeinem Gesetz oder irgendeiner Autorität, so legitim sie auch sein mag, unterwerfen? Wird es für sie, in dieser Notlage, irgendein Pflichtgefühl geben? Eher nicht! Nun, was nicht im Großen geschieht, verwirklicht der Glaube an das Nichts nach dem Tod jeden Tag im Kleinen. Und wenn die Folgen davon nicht so verheerend sind, wie sie es sein könnten, dann liegt es an erster Stelle daran, dass bei den meisten Ungläubigen mehr Stolz als wahrer Unglaube, mehr Zweifel als Überzeugung herrscht, und dass sie mehr Angst vor dem Nichts haben, als sie es zeigen wollen. Außerdem bilden die überzeugten Ungläubigen nur eine geringe Minderheit.

Falls aber die Mehrheit der Menschen eines Tages völlig ungläubig würde, würde die Gesellschaft in einer tiefen moralischen Krise versinken. Um dies zu veranschaulichen, geben wir folgendes Beispiel:

Ein junger Mann von 18 Jahren, der von einer Herzkrankheit befallen war, wurde von den Ärzten als unheilbar erklärt. Ihnen zufolge könnte er in acht Tagen oder in zwei Jahren sterben, länger würde er aber auf keinen Fall leben. Sobald er dies erfuhr, brach der junge Mann seine Berufsausbildung ab und stürzte sich in Ausschweifungen jeder Art. Wenn man ihm erzählte, wie gefährlich ein ausschweifendes Leben sei, antwortete er:

“Was kümmert es mich? Ich habe ohnehin höchstens nur noch zwei Jahre Lebenszeit! Was würde es mir nützen, auf mich selbst aufzupassen? Ich will das Leben für die kurze Zeit, die mir noch übrig bleibt, in vollen Zügen genießen.“

Dies ist die Folge des Glaubens an das Nichts nach dem Tod. Wenn aber dieser junge Mann an das Weiterleben nach dem Tod geglaubt hätte, hätte er sehr wahrscheinlich geantwortet:

“Der Tod wird nur den Körper vernichten, den ich wie ein abgenutztes Kleidungsstück zurücklassen werde. Aber mein Geist wird weiterleben. Ich werde in meinem Leben nach dem Tod sein, was ich im gegenwärtigen Leben aus mir selbst gemacht habe. Die von mir im gegenwärtigen Leben erworbenen moralischen und intellektuellen Eigenschaften gehen nicht verloren, denn sie werden zu meinem spirituellen Fortschritt beitragen. Jede Unvollkommenheit, die ich ablege, wird mich einen Schritt weiter in Richtung Glückseligkeit bringen. Mein zukünftiges Glück oder Unglück hängt davon ab, wie nützlich oder unnütz die Art, wie ich mein gegenwärtiges Leben führe, für meinen spirituellen Fortschritt ist. Es liegt daher in meinem Interesse, die kurze Zeit, die mir noch übrig bleibt, so gut wie möglich zu nutzen, und alles zu vermeiden, was meiner Gesundheit schaden und somit meine Lebenszeit noch mehr verkürzen könnte.“

Welche dieser beiden Einstellungen ist für den Menschen gesünder?

Soviel steht fest: Trotz aller Anstrengungen der Kirche gewinnt die Skepsis, der Zweifel und die Gleichgültigkeit mit jedem Tag an Boden. Wenn die Kirche machtlos ist, um dem Unglauben ein Ende zu setzen, dann liegt es an der Tatsache, dass ihr etwas fehlt, um dies zu erreichen. Was ihr in der heutigen Zeit – wo man begreifen will, bevor man glaubt – fehlt, ist ohne Zweifel die Bestätigung ihrer Lehren durch konkrete Tatsachen, sowie ihre Übereinstimmung mit den Entdeckungen der Wissenschaft. Wenn die Kirche etwa behauptet, dass etwas weiß sei, obwohl die Fakten zeigen, dass es schwarz ist, muss man zwischen dem blinden Glauben und dem, was offensichtlich ist, wählen.

An dieser Stelle kommt der Spiritismus, um die Verbreitung des Unglaubens einzudämmen, indem er die Existenz der Seele und das Leben nach dem Tod sichtbar und greifbar macht.

Alle Religionen teilen den Glauben daran, dass die Seele nach dem Tod entweder glücklich oder unglücklich ist, was die alte Lehre von Himmel und Hölle früher versinnbildlichte. Das, worin sie sich aber wesentlich unterscheiden, liegt in der Art des Glücks oder Unglücks der Seele nach dem Tod, vor allem in der Lebensweise jedes Einzelnen auf der Erde, die zu dem einen oder anderen Zustand nach dem Tod führt. Daher kommen die widersprüchlichen Glaubensauffassungen, die verschiedene Arten der Gottesverehrung entstehen ließen, sowie die von ihnen auferlegten Pflichten, Gott zu ehren, um dadurch den Himmel zu erreichen und der Hölle zu entgehen.

In ihren Anfängen entsprachen alle Religionen dem Grad an moralischer und intellektueller Entwicklung der Menschen: Diese, die noch zu materiell eingestellt waren, um die rein spirituellen Dinge zu begreifen, ließen die meisten religiösen Pflichten darin bestehen, äußere Formen zu beachten.

Lange Zeit erschienen ihnen solche Formen einleuchtend. Aber sobald sie die Leere dieser Formen empfanden und feststellten, dass ihre Religion diese Leere nicht ausfüllte, gaben sie ihren Glauben auf.

Instinktiv glaubt der Mensch an das Weiterleben nach dem Tod. Da er aber bis heute noch keine sichere Grundlage besaß, um zu begreifen, wie es wirklich ist, erschuf seine Einbildungskraft die fantasievollen Ideen, die die diversen Glaubensrichtungen diesbezüglich entstehen ließen. Die Klärungen der spiritistischen Lehre über das Weiterleben nach dem Tod – die keine Spekulation sind, sondern das Ergebnis der Beobachtung konkreter Fakten – werden die auseinandergehenden oder schwankenden Meinungen zusammenführen und allmählich zur Vereinigung aller Glaubensrichtungen hinsichtlich dieses Themas beitragen. Die Vereinigung aller Glaubensrichtungen in Bezug auf das Weiterleben der Seele nach dem Tod wird der erste gemeinsame Punkt der verschiedenen Religionen sein, ein gewaltiger Schritt in Richtung Religionstoleranz und, später, der kompletten Verschmelzung aller Religionen.

 

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