Einige Klärungen aus dem Buch Himmel und Hölle

(einem der Grundwerke der spiritistischen Lehre)

(Fortsetzung 5)

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Was ist der Spiritismus und wie ist er entstanden?

 Kapitel 4

                             Leidende Geistwesen

 

 

Lisbeth

Am 13. Februar 1862 wurde in der französischen Stadt Bordeaux eine Sitzung zur Kommunikation mit Geistwesen abgehalten, auf der sich ein leidendes Geistwesen namens Lisbeth manifestierte. Unten wird der mit ihr geführte Dialog wiedergegeben:

(Sitzungsteilnehmer): “Könntest du uns ein paar Einzelheiten über deine Lage und den Grund für dein Leiden geben?”

(Lisbeth): “Sei von Herzen demütig, dem Willen Gottes ergeben, geduldig in den Prüfungen des Lebens, barmherzig gegenüber den Armen, aufmunternd gegenüber den Schwachen und sensibel gegenüber dem Leiden deiner Mitmenschen; so wirst du die Qualen, die ich gerade durchmache, nicht erleben.”

(Sitzungsteilnehmer): “Du scheinst, es zu bereuen, genau das Gegenteil dessen gemacht zu haben, was du mir anrätst. Gibt dir deine Reue Erleichterung?”

(Lisbeth): “Nein; die Reue ist nutzlos, wenn sie nur die Folge des Leidens ist. Die wirksame Reue ist jene, die auf dem Bedauern beruht, gegen die Gesetze Gottes verstoßen zu haben, und auf dem brennenden Wunsch, es wiedergutzumachen. Leider bin ich noch nicht soweit. Bitte diejenigen, die für leidende Geistwesen beten, mich in ihre Gebete einzuschließen; das brauche ich.”

 

Anmerkung von Allan Kardec:  “Die Antwort Lisbeths auf die letzte oben stehende Frage beinhaltet eine große Wahrheit. Manchmal entreißt das Leiden einen Aufschrei der Reue, der aber nicht der aufrichtige Ausdruck des Bedauerns ist, etwas Schlechtes gemacht zu haben. Denn, wenn das Geistwesen nicht mehr leiden würde, würde es nicht zögern, seine Taten zu wiederholen. Dies ist der Grund, warum Reue das Geistwesen nicht sofort von seinem Leiden befreit, obwohl sie es auf den Weg dazu führt. Neben Reue muss das Geistwesen die Aufrichtigkeit und Festigkeit seiner Entschlüsse durch neue Prüfungen beweisen, die es ihm ermöglichen, seine Verfehlungen wiedergutzumachen.

Wenn man über alles, was die Geistwesen bei ihren Mitteilungen berichten, sorgfältig nachdenkt, findet man – selbst in den Worten der am wenigsten spirituell entwickelten Geistwesen – tiefgreifende Lehren. Diese machen einen mit den kleinsten Einzelheiten des Lebens in der geistigen Welt vertraut. Obwohl ein oberflächlicher Mensch in diesen Mitteilungen nur mehr oder weniger bildhafte Berichte sieht, findet ein ernster und besonnener Mensch darin eine wertvolle Informationsquelle.”

 

(Sitzungsteilnehmer): “Ich werde tun, worum du mich gebeten hast. Könntest du mir einige Details über dein letztes Leben auf der Erde liefern? Sie könnten uns als Lehre dienen, und so würdest du deine Reue nützlich machen.”

 

(Zögernd beantwortet Lisbeth diese Frage sowie einige andere)

 

(Lisbeth): “Ich bin in einer wohlhabenden Familie geboren. Ich hatte alles, was die Menschen als Quelle des Glücks betrachten. Weil reich, war ich egoistisch. Weil schön, war ich eitel, unsensibel und heuchlerisch. Weil adlig, war ich ehrgeizig. Mit meiner Macht habe ich alle zermalmt, die sich nicht tief genug vor mir niederwarfen, und zermalmte auch noch jene, die unter meinen Füßen waren…”

(Sitzungsteilnehmer): “Zu welcher Zeit hast du gelebt?”

(Lisbeth): “Vor 150 Jahren, in Preußen.”

(Sitzungsteilnehmer): “Hast du seither keinen Fortschritt in der geistigen Welt gemacht?”

(Lisbeth): “Nein; die Materie hat sich immer widersetzt. Du kannst dir nicht vorstellen, welchen Einfluss sie immer noch auf mich ausübt, obwohl sich meine Seele bereits von meinem Körper getrennt hat. Hochmut umschlingt uns mit Metallketten, deren Ringe sich immer mehr um uns herum zusammenziehen, bis wir ihm unser Herz überlassen. Hochmut! Diese Giftschlange mit hundert Köpfen (...), die ihr giftiges Zischen derart zu wandeln weiß, dass man es für eine himmlische Melodie hält! Hochmut! Dieser vielförmige Dämon, der sich allen Verirrungen unserer Seele anpasst und sich in den geheimen Winkeln unseres Herzens verbirgt, dringt in unsere Adern, nimmt uns in sich auf und schleppt uns in die Finsternis der ewigen Gehenna[1]! (…)”

 

Anmerkung von Allan Kardec:  “Lisbeth behauptet, keinen Fortschritt in der geistigen Welt gemacht zu haben; bestimmt, weil ihre Lage dort immer noch schmerzlich ist. Aber die Art, wie sie den Hochmut schildert und dessen Folgen beklagt, ist ohne Zweifel bereits ein Fortschritt. Denn zu ihren Lebzeiten, und selbst gleich nach ihrem Tod, hatte sie noch nicht diese Einstellung. Sie erkennt ihre Verfehlungen, und das ist schon etwas. Später wird sie den Mut und die Entschlossenheit haben, in ihrem nächsten Leben auf der Erde solche Verfehlungen zu vermeiden.”

 

(Sitzungsteilnehmer): “Gott ist sehr gut und verurteilt seine Kinder nicht zu ewigen Strafen. Hab Vertrauen in seine Barmherzigkeit.”

(Lisbeth): “Man sagt, dass es ein Ende nehmen kann, aber wann? Seit langem suche ich es, aber alles, was ich sehe, ist Leiden; die ganze Zeit!”

(Sitzungsteilnehmer): “Wie bist du heute hergekommen?”

(Lisbeth): “Ein Geistwesen, das mir oft folgt, hat mich hierher gebracht.”

(Sitzungsteilnehmer): “Seit wann siehst du dieses Geistwesen?”

(Lisbeth): “Es ist nicht lange her, dass ich anfing, es zu sehen.”

(Sitzungsteilnehmer): “Und seit wann bist du dir der Fehler bewusst, die du begangen hast?”

(Lisbeth): (nach langem Überlegen) “Ja, du hast Recht: Seither sehe ich es.”

(Sitzungsteilnehmer): “Verstehst du jetzt den Zusammenhang zwischen deiner Reue und der Hilfe, die dein Schutzgeist dir gewährt? Betrachte die Liebe Gottes als Ursache dieser Unterstützung, denn sein Ziel ist es, dir zu vergeben und seine unendliche Barmherzigkeit über dich zu ergießen.”

(Lisbeth): “Oh! Wie sehr ich mir wünschte, dass es so wäre!”

(Sitzungsteilnehmer): “Ich glaube, es dir im Namen desjenigen versprechen zu können, der niemals taub zur Stimme seiner Kinder ist, die in Not sind. Ruf ihn aus tiefster Reue an, und er wird dich hören.”

(Lisbeth): “Ich kann es nicht; ich habe Angst.”

(Sitzungsteilnehmer):    “Lass uns zusammen beten und er wird uns hören...”

(Nach dem Gebet)

“Bist du noch da?”

(Lisbeth): “Ja, danke! Vergiss mich nicht!”

(Sitzungsteilnehmer): “Komm jeden Tag zu uns!”

(Lisbeth): “Ja, ich werde immer kommen.”

 

 

Am Ende des oben wiedergegebenen Dialogs teilte der Geistführer des Mediums Folgendes mit:

“Vergesst nie die Lehre, die ihr aus den Leiden der Geistwesen zieht, die sich euch mitteilen; vor allem aus den Ursachen solcher Leiden. Denn sie dienen jedem von euch als Lehre, damit ihr nicht die gleichen Fehler begeht und somit nicht in eine ähnlich leidvolle Lage geratet. Reinigt eure Herzen, seid demütig, liebt und helft einander... Warnt eure Brüder und Schwestern vor den Gefahren, denen sie begegnen können. Verbreitet den Segen Gottes, der sich unaufhörlich vermehrt; und je mehr ihr ihn um euch herum verbreitet, desto mehr wird er sich vervielfältigen. Diese Aufgabe liegt in euren Händen, denn – indem ihr euren Brüdern und Schwestern die gefährlichen Folgen einer unglücklichen Tat zeigt und sie durch gute Ratschläge davor warnt – macht ihr es wie wir, die wir euch auch mit guten Ratschlägen helfen. Auf diese Weise tragt ihr dazu bei, den Segen Gottes über jene zu verbreiten, die euch zuhören.

Gesegnet seien eure Bemühungen, meine geliebten Freunde. (...)

Sankt Paulinus

 

 


[1]  Das griechische Wort Gehenna, das im Evangelium erwähnt wird, bezieht sich auf das außerhalb der Stadtmauern Jerusalems gelegene Tal Hinnom. Zur Zeit Jesu wurde dieses Tal als Müllhalde verwendet, in die Tierkadaver, Leichen von für unwürdig gehaltenen Menschen und alle möglichen Abfälle geworfen wurden. Man nutzte Schwefel, um das Feuer dauerhalft zu halten und den Müll vollständig zu verbrennen.

In seinen Lehren nutzte Jesus die Gehenna als Sinnbild für einen Ort, wo die Menschen aufgrund ihrer verwerflichen Taten leiden. In ihrem Bericht erwähnt Lisbeth die Gehenna, um zu veranschaulichen, wie intensiv in der geistigen Welt das Leiden der Geistwesen ist, die sich auf der Erde von Hochmut haben beherrschen lassen.

 

 

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