Der Fortbestand des Lebens nach dem Tod ist keine reine Hypothese mehr, sondern eine Tatsache, die sich durch die Kommunikation mit
den Seelen derjenigen nachweisen lässt, die bereits dadurch gegangen sind, was wir Tod nennen.
Für die Menschen, die trotz aller Beweise
nicht daran glauben, hat das Leben auf der Erde keinen anderen Zweck, als einen Körper aufrechtzuerhalten, dessen Tod jeden Moment
eintreten könnte und die endgültige Vernichtung des Daseins bedeuten würde. Für die Menschheit wäre die logische Folge eines solchen
Glaubens die Konzentration all ihrer Anstrengungen auf die Vermehrung ihrer materiellen Genüsse ohne Rücksicht auf ihre Mitmenschen
und ohne jeden Anreiz, sich als Mensch zu bessern. Kurzum: Dieser Glaube wäre die Gutheißung des Egoismus und des Spruchs: “Die Welt
ist für die Stärksten und Schlauesten geschaffen”. Ohne den Fortbestand des Lebens nach dem Tod würden die guten moralischen Werte
nichts anderes als eine reine gesellschaftliche Verhaltensregel sein, die aber keine Wurzeln im Herzen der Menschen hätten. Eine Gesellschaft,
die auf einem solchen Glauben beruhte, wäre dazu prädestiniert, sich früher oder später selbst zu ruinieren.
Man könnte einwenden,
dass zu denjenigen, die nicht an das Leben nach dem Tod glauben, aufrichtige Menschen zählen, die unfähig wären, bewusst anderen Unrecht
zu tun. In der Tat rührt bei vielen der Unglaube mehr vom Mangel an einem für sie vernünftigen Glauben als von einer persönlichen
Überzeugung her. Im Inneren ihres Bewusstseins werden sie von Ungewissheit geplagt. Denn die Vorstellung, dass ihnen nach Todeseintritt
das Ergebnis all ihrer positiven Anstrengungen im Leben geraubt und die Beziehung zu ihren geliebten Menschen für immer vernichtet
wird, erscheint ihnen auch nicht wirklich einleuchtend. Wenn der Zeitpunkt des Todes schließlich näher rückt, sind es nur wenige,
die ihren letzten Schlaf mit der festen Überzeugung schlafen, dass sie nicht irgendwo wieder erwachen werden.
Man kann daher behaupten,
dass in den meisten Fällen der Unglaube nur relativ ist. Das heißt, da sich die Mehrheit der Ungläubigen nicht mit den existierenden
religiösen Glaubenslehren identifiziert und auch nirgendwo anders überzeugende Antworten auf ihre Fragen findet, formuliert sie Theorien,
um sich selbst von der Unmöglichkeit des Weiterlebens nach dem Tod zu überzeugen. Die Ungläubigen aus Überzeugung wiederum sind äußerst
selten.
Egal welchen Glauben man bezüglich dessen hat, was nach dem Tod passiert, in der Regel denkt man über seine Seele unter dem
mystischen Gesichtspunkt nach. In den Zeiten, wo der blinde Glaube herrschte, war dieser befriedigend für diejenigen, die sich durch
ihn lenken ließen. Doch heute, zu einer Zeit, wo jeder seine eigenen Nachforschungen anstellen kann, wollen die Menschen sich selbst
lenken, mit eigenen Augen sehen und verstehen. Die unklaren Vorstellungen des Lebens nach dem Tod entsprechen dem Wissen und den Bedürfnissen
der Menschen nicht mehr.
An den aus heutiger Sicht naiven Vorstellungen des Lebens nach dem Tod, mit denen sich unsere Vorfahren zufriedengaben,
festzuhalten, würde nur zu noch mehr Unglauben führen. Um akzeptiert zu werden und seinen moralisierenden Einfluss auszuüben, muss
das Leben nach dem Tod etwas Einleuchtendes sein und von jedem Menschen belegt werden können.
Warum schenkt man dann einem solchen
Thema so wenig Aufmerksamkeit, obwohl es von allgemeinem Interesse ist? Da jeder Einzelne von uns eines Tages zu jenem unbekannten
Ort fortgehen wird, was auch jeden Moment passieren kann, wäre zu erwarten, dass sich die Menschen dafür interessieren zu erfahren,
was aus ihnen wird, sobald dieser Moment eintritt. Aber warum ist dies oft nicht der Fall? Viele antworten, es liege an der Tatsache,
dass, falls es diesen Ort tatsächlich geben würde, die herkömmliche Wissenschaft ihn bereits ausfindig gemacht hätte. Daher ihre Gleichgültigkeit
gegenüber dem Thema mit den resignierten Worten: “Es wird geschehen, was geschehen soll.”
Uns wird von klein auf gesagt, dass man an
diesem Ort glücklich oder unglücklich sein wird, je nachdem wie man auf der Erde lebte. Aber woraus bestehen dieses Glück und dieses
Unglück? Das Bild, das man sich von beidem macht, weicht normalerweise so sehr von unserer Vorstellung der Gerechtigkeit Gottes ab
und enthält so viele Widersprüche sowie unrealistische Darstellungen, dass man durch Ungewissheit oder sogar vollständigen Unglauben
ergriffen wird. Wie wird unsere Lage in der geistigen Welt sein? Werden wir dort konkrete oder abstrakte Wesen sein? Werden wir eine
Gestalt, ein Aussehen haben? Führen diejenigen, die dort glücklich sind, ein aktives oder ein müßiges Leben?
Die Menschen werden sich
erst für das Leben nach dem Tod interessieren, wenn sie darin keine abstrakte, sondern eine konkrete Tatsache sehen, die ihnen vernünftig
erscheint und sich nachweisen lässt. Sobald dies geschieht und sie außerdem erkennen, dass ihre Lage nach dem Tod die direkte Folge
ihrer Taten im irdischen Leben sein wird, werden sie sich unvermeidlich zum Überdenken ihrer Lebenseinstellung und ihres täglichen
Handelns ermutigt fühlen. Die Verbreitung solcher aufklärenden Erkenntnisse zählt zu den wichtigsten Zielen des Spiritismus.