Das Wohlbefinden der Menschen als Folge
ihrer moralischen Entwicklung 
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Die Drangsale der Welt rühren von der Unvollkommenheit der Menschen her, denn durch ihre Laster fügen sie sich gegenseitig Schaden zu. Daraus folgt, dass die Menschen, solange sie Laster haben, auf der Erde nicht wahrhaft glücklich sein werden.

Die bürgerlichen Gesetze tragen zweifellos zur Verbesserung der Lebensqualität der Gesellschaft bei, aber sie sind unfähig, das Glück der Menschen zu gewährleisten. Denn alles, was sie tun, besteht darin, Missbräuche zu unterbinden, ohne deren Ursachen zu beseitigen. Mit anderen Worten, da solche Gesetze eher unterdrückend als moralisierend wirken, schüchtern sie nur ein; allein die moralischen Gesetze können in das Gewissen der Menschen eindringen und deren Einstellungen erneuern.

Da das Unglück der Menschen auf der Erde von den durch ihre Laster verursachten Drangsalen herrührt, ist das einzige wirksame Mittel dagegen ihre moralische Entwicklung. Dadurch, dass die moralischen Unvollkommenheiten der Ursprung der menschlichen Drangsale sind, wird ihr Glück in dem Maße zunehmen, wie diese Unvollkommenheiten abnehmen.

So gut eine Institution auch sein mag, wenn der Charakter der Menschen verwerflich ist, werden diese sie missbrauchen, um sie im eigenen Interesse auszunutzen. Wenn aber der Charakter der Menschen gut ist, dann werden sie gute Institutionen aufbauen, an deren Aufrechterhaltung alle Interesse haben werden.

Das wahre Wohlbefinden der Gesellschaft hat demzufolge seinen Ausgangspunkt nicht in der Form dieser oder jener Institution, sondern es hängt ganz und gar von der moralischen Entwicklung der Menschen, die dort leben, ab. Dies ist der eigentliche Schlüssel zum Glück der Menschen, denn erst dann werden sie nicht mehr die Benachteiligung ihrer Mitmenschen in Kauf nehmen, um ihr eigenes Wohl zu sichern.

Der Mensch, der ernsthaft an seiner moralischen Entwicklung arbeitet, sichert sein Glück bereits auf der Erde. Denn er wird – aufgrund seiner Bemühungen, seine Mitmenschen so zu behandeln, wie er es von ihnen erwarten würde – reines Gewissen haben. Er wird seelische Ruhe haben, denn durch sein Wissen um den Sinn des Lebens werden dessen alltägliche Herausforderungen ihn nicht so sehr beunruhigen; er wird gesund sein, denn er wird nicht seinen Körper durch Exzesse schädigen; er wird inneren Frieden spüren, da er in seinem Herzen keinen Hass oder Groll hegen wird; er wird nicht mehr durch den Durst nach Anerkennung und Überfluss oder durch das Fieber des Ehrgeizes, des Neides und der Eifersucht gequält werden. Aufgrund seiner Nachsicht gegenüber den Unvollkommenheiten seiner Mitmenschen wird er weniger unter ihren Verfehlungen leiden. Da er alles tun wird, um zu vermeiden, seinen Mitmenschen sowohl durch Worte als auch durch Taten zu schaden, wird niemand etwas über ihn zu beklagen haben.

Die Bemühungen um seine moralische Entwicklung sichern sein Glück auch nach dem Tod. Denn in der geistigen Welt wird er nur auf befreundete und freundliche Seelen treffen und nicht durch das schlechte Gewissen darüber gequält werden, jemandem in irgendeiner Form Schaden zugefügt zu haben.

Sobald ein ganzes Volk, ein ganzes Land und zum Schluss die ganze Menschheit diese Gefühle teilt, wird unser Planet endlich einen Platz unter den glücklichen Welten einnehmen. Ist das eine reine Utopie? Ja, für die Menschen, die nicht an den Fortschritt der Seele glauben; nein, für diejenigen, die glauben, dass sie sich durchaus weiterentwickeln kann.

Der Fortschritt der Allgemeinheit ist die Summe des Fortschrittes jedes einzelnen Individuums. Dieser wiederum besteht nicht nur aus dem Erwerb von Wissen: Dies ist lediglich ein Teil des Fortschrittes, der nicht unbedingt zum Guten führt, da es nicht selten Menschen gibt, die ihr Wissen zum Schaden anderer missbrauchen. Der Fortschritt der Allgemeinheit besteht insbesondere aus der moralischen Entwicklung, der Reinigung ihrer Seele durch die Beseitigung der Keime schlechter Neigungen, die in uns allen vorhanden sind. Darin liegt der wahre Fortschritt, der Einzige, der das Glück der Menschheit sichern kann. Schließlich kann man seine Intelligenz auch dazu nutzen, verwerfliche Dinge zu tun, doch ein wahrhaft guter Mensch wird seine immer nur verwenden, um positive und nützliche Ziele zu erreichen. Es liegt daher im Interesse aller, dass die moralische Entwicklung der Menschheit gefördert wird.

Was kümmern aber die moralische Entwicklung und das Glück der zukünftigen Generationen die Menschen, die glauben, dass alles mit dem Tod zu Ende geht? Was interessiert sie schon, sich weiterzuentwickeln, ihre Laster zu zügeln und sich für ihre Mitmenschen aufzuopfern? Allein die Logik sagt ihnen, sie sollten besser danach streben, das Leben schnell und möglichst intensiv zu genießen, da es jeden Moment zu Ende gehen könnte.

Nach dem Glauben, dass alles mit dem Tod zu Ende geht: Hören alle sozialen Beziehungen im Moment des Todes auf, Solidarität ist ein nutzloses Wort, Brüderlichkeit eine sinnlose Theorie, die Aufopferung zugunsten anderer eine Zeitverschwendung, der Egoismus mit seinem Spruch “jeder für sich wird gestärkt, Rache wird als ein natürliches Recht und Glück als etwas angesehen, was nur von den Stärksten und Schlauesten zu erreichen ist, und zum Schluss wird Selbstmord als logisches Ende für jeden betrachtet, der bereits alle Hoffnung darauf verlor, mit seinen Schwierigkeiten fertigzuwerden. Eine Gesellschaft, die auf dem Glauben an das Nichts nach dem Tod beruhte, würde den Keim ihres eigenen Untergangs in sich bergen.

Anders sind aber die Gefühle derjenigen, die an das Weiterleben nach dem Tod glauben und wissen: dass nichts von dem, was sie an Moral und Wissen erlangen, verlorengehen wird, und dass all ihre gut gemeinten Bemühungen im gegenwärtigen Leben Früchte in Zukunft tragen werden. Ihre Gedanken beschränken sich nicht auf das irdische Leben, sondern richten sich auch auf die Welt, die sie nach dem Tod erwartet.

Mit dem Glauben an das Leben nach dem Tod erweitert sich die Lebensanschauung; der moralische Fortschritt hat einen Zweck, einen Nutzen, denn das Wissen um den Fortbestand der Menschenbeziehungen jenseits des Todes fördert und stärkt den Sinn für Solidarität und Brüderlichkeit.

Wenn aber alle Religionen diesen Glauben predigen, warum brachten sie dann bis zum heutigen Tag nicht die zu erwartenden Ergebnisse? Weil er in der Regel auf eine Art und Weise präsentiert wird, welche die Vernunft nicht akzeptieren kann, wie zum Beispiel, dass die Seele, sobald sie die Erde verlässt, in die geistige Welt eintritt und sich der irdischen Menschheit entfremdet. Dies würde jede Solidarität zwischen den Seelen, die bereits fortgingen, und jenen, die auf der Erde zurückbleiben, ausschließen. Außerdem ist für solche Religionen der Glaube an das Leben nach dem Tod eher eine Hoffnung als eine Gewissheit. Daher der Unglaube bei den einen, während andere sich dem Mystizismus zuwenden, der – indem er den Menschen von der Erde abwendet – diesem unabsichtlich schadet. Denn der Mystizismus ignoriert die Tatsache, dass der materielle Fortschritt – vorangetrieben durch die Entwicklung der Wissenschaft – den Erwerb von Wissen ermöglicht und damit ebenfalls für den spirituellen Fortschritt der Menschheit erforderlich ist.

Dennoch, so unvollständig die durch gewisse religiöse Glaubenslehren vermittelten Informationen hinsichtlich des Lebens nach dem Tod sein mögen, sie brachten auch positive Wirkungen. Schließlich, wie viele Menschen wurden durch diese vage Hoffnung zu guten Taten ermutigt! Wie viele kamen von der schiefen Bahn bei der Ungewissheit darüber, was sie wohl nach dem Tod erwartete! Somit können wir die Glaubenslehren aus der Vergangenheit keineswegs verurteilen, wenn sie ihre Gläubigen zum Guten führen. Doch in dem Maße, wie diese reifer werden, verlangen sie nach einem Glauben, der mit den neuen Zeiten im Einklang steht. Wenn sich aber die überholten Glaubenssätze nicht erneuern und allmählich rückständig werden, verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit. Und die guten Früchte, die sie zu einer bestimmten Zeit hervorbrachten, können sie später nicht mehr hervorbringen, da sie nicht mehr wie einst ernst genommen werden.

Das Leben nach dem Tod kann nur glaubwürdig sein, wenn es einleuchtend ist, wissenschaftlich nicht widerlegt werden kann und der Vorstellung entspricht, die man von der Weisheit, Güte und Gerechtigkeit Gottes hat. Außerdem muss es nachweisbar sein, und zwar als etwas ebenso Reales wie das irdische Dasein.

Dies sind Erkenntnisse, die der Spiritismus über das Leben nach dem Tod bringt. Die sind nicht menschlichen Ursprungs, sondern das Ergebnis von Nachforschungen auf der Grundlage von Berichten, die von zahlreichen Geistwesen auf den unterschiedlichsten Stufen spiritueller Entwicklung[1] stammen. Daher ist das Leben nach dem Tod keine reine Hypothese mehr, sondern eine durch intensive Recherche belegte Tatsache. Es sind die Bewohner der geistigen Welt selbst, die zu uns kommen, um ihre Lage zu schildern. Und jeder kann mit ihnen Kontakt aufnehmen, um sich selbst davon zu überzeugen.

Indem die spiritistische Lehre den Beweis für die Existenz und Unsterblichkeit der Seele liefert und uns in die Mysterien der Geburt, des Todes, des Lebens nach dem Tod und des Lebens im gesamten Universum liefert; indem sie uns die Folgen des Guten und des Bösen schildert, betont sie die Notwendigkeit der moralischen Entwicklung jedes Individuums. Durch sie weiß der Mensch endlich, woher er kommt, wohin er geht und warum er vorübergehend auf der Erde lebt; das Gute hat einen Zweck, einen praktischen Nutzen für jeden und die Gesellschaft, in der er lebt. Durch ihre moralische Entwicklung bereiten die Menschen auf der Erde den Boden für das von Jesus vorhergesagte Reich des Friedens und der Brüderlichkeit vor.

Die spiritistische Lehre ist somit ein starkes moralisierendes Mittel, denn sie richtet sich gleichzeitig an die Vernunft, den gesunden Menschenverstand und das Herz der Menschen.



[1]   Spirituelle Entwicklung:   Alle Geistwesen haben den gleichen Ursprung und das gleiche Schicksal: Sie wurden als einfache und unwissende Wesen erschaffen mit dem Ziel, eines Tages durch ihre eigenen Bemühungen die spirituelle Vollkommenheit – den höchsten Grad an Wissen und guten moralischen Eigenschaften, den die Geistwesen anstreben können – zu erreichen. Sobald sie auf dieser spirituellen Entwicklungsstufe angelangen, leben sie in einer himmlischen Welt in perfektem Einklang mit Gottes Gesetzen der Gerechtigkeit, Liebe und Nächstenliebe. Da die Menschen nichts anderes als unsterbliche Geistwesen sind, wird sich die gesamte Menschheit – selbst die heute schwersten Verbrecher auf Erden – im Laufe einer für uns unabsehbaren Zeit soweit moralisch erneuern, bis sie eines Tages ebenfalls spirituell vollkommen ist.

    Dieser allmähliche Fortschritt der Geistwesen wird spirituelle Entwicklung genannt.

 

 

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