I) Einleitung
Die Menschen kommen sich durch spontane Zuneigung und Sympathie näher. Oft brauchen sie nur wenige
Augenblicke, um eine tiefe und dauerhafte Freundschaft zu schließen, als ob sie sich schon seit vielen Jahren kennen würden.
Wie es
solche Annäherungen als Folge einer gegenseitigen Zuneigung gibt, so gibt es auch instinktive Abneigungen, aus denen oft Feindseligkeit,
Verachtung und sogar Hass hervorgehen, die in manchen Fällen zu wahren Tragödien führen.
Ein einfacher Blick reicht manchmal aus, um
bei uns eine unwiderstehliche Abneigung aufkommen zu lassen, die bewirkt, dass wir uns von einer bestimmten Person distanzieren. Dieses
Gefühl kann in gewissen Fällen so intensiv sein, dass wir uns in ihrer Anwesenheit unwohl fühlen.
Aber wo kommen diese augenblickliche
Zuneigung und Abneigung her, die nicht selten immer weiter zunehmen? Wie können solch starke Gefühle bereits beim ersten Kontakt auftreten,
wenn man sein Gegenüber nie zuvor gesehen hat?
Andererseits gibt es Haushalte, wo Eltern und Kinder, Eheleute und Geschwister eine
enge Beziehung haben. Zwischen ihnen herrschen eine so tiefe Freundschaft, Zuneigung und Harmonie, dass deren Anblick in vielen Menschen
den sehnsüchtigen Wunsch nach ähnlichen Verhältnissen in der eigenen Familie erweckt.
Doch im Gegensatz dazu und in größerer Anzahl
als man denkt, gibt es die Haushalte, wo Misstrauen, Groll und Abneigung herrschen und die den Eindruck vermitteln, dass deren Mitglieder
eingefleischte Feinde sind. Die banalste Geste, der einfachste Blick und die harmlosesten Worte genügen manchmal, um zu einer Eskalation
zu führen. Dabei fallen beleidigende Worte, die große Verbitterung verursachen und die gegenseitige Abneigung nicht nur aufrechterhalten,
sondern auch noch vertiefen.
Haushalte, wo die Kinder Groll gegen ihre Eltern hegen, weil diese bei jeder Diskussion nur verletzende
Worte für sie parat haben, statt taktvoll zu reden und ihnen hilfreiche Ratschläge auf der Basis ihrer eigenen Beispiele zu geben.
Geschwister, die sich nicht ausstehen können; Eheleute, die – obwohl sie unter einem Dach wohnen – innerlich schon längst getrennt
leben und, nicht selten, zunehmenden Hass aufeinander empfinden.
Angesichts solcher unglücklichen Tatsachen drängt sich die Frage auf:
Warum werden unzählige Familien von solcher tiefen Spaltung heimgesucht? Wo kommen diese ganze Verachtung und hartnäckige Abneigung
her?
Schließlich gibt es auch noch die einzigartigen Fälle von Menschen, deren Verhalten sich schrittweise oder sogar schlagartig so
radikal ändert, dass sie von ihren engsten Verwandten und Freunden kaum noch wieder zu erkennen sind. Und das, obwohl sie kein traumatisches
Erlebnis hatten und keinerlei Hirnschädigung erlitten. Wie kann sich eine Persönlichkeit unter solchen Umständen so schnell und drastisch
verändern, dass die herkömmliche Medizin nach vielen Untersuchungen und erfolglosen Behandlungen den Fall insgeheim für hoffnungslos
erklärt und den Patienten entweder offen aufgibt oder ihm zur Ruhigstellung starke Medikamente verschreibt, ohne jede Aussicht auf
eine Besserung?
Die Ratlosigkeit der Medizin in solchen “einzigartigen” Fällen ist durchaus verständlich, denn ein Großteil der menschlichen
Drangsale, inneren Konflikte, hartnäckigen Erkrankungen und Verhaltensstörungen kann nur anhand der Reinkarnation, das heißt, der
Rückkehr der Seele auf die Erde in einem neuen physischen Körper zur Fortsetzung ihres Lernprozesses im irdischen Dasein, erklärt
werden.
Nicht selten kommt es vor, dass, wenn sich zwei Menschen augenblicklich anziehen oder abstoßen, sie in ihren früheren Leben
entweder gut befreundet waren oder dass zwischen ihnen etwas Gravierendes geschah, das – in ihrem Unterbewusstsein gespeichert – in
Form eines schlechten Gefühls wieder hochkommt, sobald sie sich nähern.
Durch das von Gott erschaffene Gesetz von Wirkung und Ursache
reinkarnieren sowohl gut befreundete als auch verfeindete Seelen in derselben Familie: Die Ersteren mit dem Ziel, ihre gegenseitige
Zuneigung zu stärken; die Letzteren, damit sie – durch ihre Familienbande gezwungen, unter einem Dach zu wohnen – ihre Einstellung
zueinander ändern und allmählich lernen, sich besser zu verstehen. Dies führt auf die Dauer zur Überwindung des in ihrem Unterbewusstsein
gespeicherten Grolls, der in früheren Leben entstand und ihre gegenwärtige Abneigung gegeneinander auslöst.
Wenn sie sich bemühen,
an ihrer negativen Einstellung zu arbeiten, indem sie sich in Demut, Toleranz, Geduld und Vergebung üben, kommen sie sich allmählich
näher. Wenn sie sich aber keine Mühe geben, bleibt ihr tiefer Groll im Unterbewusstsein erhalten und nicht einmal ihre Familienbande
können ihre Feindseligkeit mildern oder beseitigen.
Da die meisten Fälle von psychischen und Verhaltensstörungen einen spirituellen
Hintergrund haben, lassen sie sich nur mit Hilfe des Spiritismus restlos klären. Nur er kann der Psychiatrie, der Psychologie und
der Psychotherapie Zugang zur Wurzel des Problems der Patienten verschaffen, indem er Schlüsselereignisse offenbart, die in ihren
früheren Leben geschahen und für ihre Erkrankung maßgeblich verantwortlich sind. Erst anhand dieser Erkenntnisse ist die Gestaltung
einer erfolgreichen Behandlung überhaupt möglich.
Den praktischen Beweis dafür liefert zum Beispiel die vom psychiatrischen Arzt Dr.
Inácio Ferreira de Oliveira (*1904, †1988) im Laufe von über fünfzig Jahren gesammelte Erfahrung bei der Behandlung psychisch und
verhaltensgestörter Patienten in der Spiritistischen Nervenklinik von Uberaba in Brasilien: vielleicht der ersten Klinik weltweit,
die eine herkömmliche Psychotherapie gepaart mit der spiritistischen Therapie einführte. Der Erfolg dieser kombinierten Behandlung
schlug sich in der sehr hohen Heilungsquote nieder, bei der die Patienten oft ohne die Einnahme jeglicher Medikamente ihre vollständige
Genesung wieder fanden.
Der vorliegende Text hat daher zum Ziel, sowohl dem breiten Publikum als auch Ärzten und Fachleuten auf dem
Gebiet der Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie die zwingende Notwendigkeit vor Augen zu führen, die traditionellen Behandlungen
von psychischen und Verhaltensstörungen mit der spiritistischen Therapie zu ergänzen. Zur Veranschaulichung werden auf den nächsten
Seiten einige interessante Fälle geschildert, die von Dr. Inácio Ferreira mit Hilfe des Spiritismus erfolgreich behandelt und in seinen
Büchern ausführlich berichtet wurden.
Doch zunächst wird die Geschichte der Errichtung der Spiritistischen Nervenklinik von Uberaba, die sich seit 1933 bis zum heutigen Tag in Betrieb befindet, zusammengefasst.