Literatur
Fragen oder Anregungen

Eine Bekehrung 

 

Die unten stehende Kommunikation ist ebenso interessant, obwohl unter einem anderen Gesichtspunkt.

Ein Mann, den ich “Herr Georges“ nennen werde und der Apotheker in einer Stadt Südfrankreichs war, hatte seinen geliebten und verehrten Vater vor kurzem verloren. Der Vater von Herrn Georges war sehr gebildet und besaß alle Eigenschaften, durch die sich ein guter Mensch auszeichnet, trotz der Tatsache, dass er recht materialistisch eingestellt war. Diesbezüglich hatte auch Herr Georges eine materialistische Einstellung, die jene seines Vaters sogar übertraf, da er an allem zweifelte: an Gott, an der Existenz der Seele und am Weiterleben nach dem Tod. (...) Allerdings hinterließ die Lektüre von Das Buch der Geister in ihm einen gewissen Eindruck, wie es ein Gespräch, das ich mit ihm führte, zeigte: “Wenn mein Vater“, sagte er, “mir antwortete, würde ich keinen Zweifel mehr haben.“ So wurde eine Sitzung zur Kommunikation mit dem Geist des Vaters von Herrn Georges abgehalten, die unten wiedergegeben wird und der man mehr als eine Lehre entnehmen kann: 

Herr Georges: »Im Namen Gottes bitte ich dich, Geist meines Vaters, dich zu manifestieren. Bist du in meiner Nähe?«

Der Vater:       »Ja«

Herr Georges: »Da wir uns so sehr lieben, warum manifestierst du dich nicht mir direkt?«

Der Vater:       »Später«

Herr Georges: »Werden wir uns eines Tages wieder treffen können?«

Der Vater:       »Ja, bald.«

Herr Georges: »Werden wir uns so lieben wie in diesem Leben?«

Der Vater:      »Noch mehr!«

Herr Georges: »In welchem Umfeld befindest du dich?«

Der Vater:       »Ich bin glücklich.«

Herr Georges: »Bist du reinkarniert oder lebst du noch in der geistigen Welt?«

Der Vater:       »Ich werde noch für kurze Zeit in der geistigen Welt leben.«

Herr Georges: »Wie hast du dich gefühlt, als du beim Eintreten des Todes deinen physischen Körper verlassen hast?«

Der Vater:       »Verstört«

Herr Georges: »Wie lange dauerte diese Verstörung?«

Der Vater:       »Kurz für mich, aber lange für dich.«

Herr Georges: »Kannst du die Dauer dieser Verstörung nach unserem Zeitgefühl schätzen?«

Der Vater:       »Es dauerte zehn Jahre für dich, aber zehn Minuten für mich.«

Herr Georges: »Ich habe dich aber erst vor vier Monaten verloren!«

Der Vater:       »Wenn du, der du noch lebst, an meiner Stelle gewesen wärst, dann wäre es dir so vorgekommen, als ob es so lange gedauert hätte.«

Herr Georges: »Glaubst du jetzt an einen gerechten und guten Gott?«

Der Vater:       »Ja«

Herr Georges: »Hast du an ihn geglaubt, als du auf der Erde gelebt hast?«

Der Vater:       »Ich spürte, dass er existiert, aber ich glaubte nicht an ihn.«

Herr Georges: »Ist Gott allmächtig?«

Der Vater:       »Ich habe mich nicht bis zu ihm erhöht, um seine Macht zu messen. Nur er selbst kennt die Grenzen seiner Macht, denn nur er ist seinesgleichen.«

Herr Georges: »Kümmert er sich um die Menschen?«

Der Vater:       »Ja«

Herr Georges: »Werden wir je nach unseren Taten bestraft oder belohnt werden?«

Der Vater:       »Wenn du Böses tust, wirst du darunter leiden.«

Herr Georges: »Werde ich belohnt werden, wenn ich Gutes tue?«

Der Vater:       »Dann wirst du auf deinem Weg vorankommen.«

Herr Georges: »Bin ich auf dem guten Weg?«

Der Vater:       »Tue Gutes und du wirst es sein.«

Herr Georges: »Ich glaube, ein guter Mensch zu sein, aber ich wäre noch besser, wenn ich dich eines Tages als Belohnung wieder treffen könnte.«

Der Vater:      »Möge dich dieser Gedanke stützen und ermutigen!«

Herr Georges: »Wird mein Sohn gut wie sein Opa sein?«

Der Vater:      »Fördere seine Tugenden, ersticke seine Laster.«

Herr Georges: »Ich kann nicht glauben, dass wir jetzt miteinander kommunizieren, da es mir so wundersam erscheint.«

Der Vater:       »Warum der Zweifel?«

Herr Georges: »Da ich deine philosophischen Ansichten teile, werde ich dazu gebracht, materialistisch eingestellt zu sein.«

Der Vater:       »Kannst du nachts sehen, was du tagsüber siehst?«

Herr Georges: »Bin ich dann in der Nacht, mein Vater?«

Der Vater:      »Ja«

Herr Georges: »Was ist das Schönste, was du sehen kannst?«

Der Vater:       »Erkläre mir genauer, was du meinst.«

Herr Georges: »Hast du meine Mutter, meine Schwester und Anna, die gute Anna, wieder getroffen?«

Der Vater:      »Ich habe sie wieder gesehen.«

Herr Georges: »Siehst du sie, wann du es willst?«

Der Vater:       »Ja«

Herr Georges: »Ist es für dich angenehm oder unangenehm, dass ich mit dir kommuniziere?«

Der Vater:      »Es macht mich glücklich, wenn ich dich auf den guten Weg führen kann.«

Herr Georges: »Da es mich so glücklich macht: Was könnte ich machen, sobald ich zu Hause bin, um mit dir zu kommunizieren? Dies würde mein Verhalten positiv beeinflussen und mir helfen, meine Kinder besser zu erziehen.«

Der Vater:       »Jedes Mal, wenn dich ein Impuls auf den guten Weg führt, bin ich es, der dich inspiriert.«

Herr Georges: »Ich höre jetzt auf, da ich dich nicht stören möchte.«

Der Vater:      »Sprich ruhig weiter, wenn du möchtest.«

Herr Georges: »Da du es mir erlaubst, werde ich dir noch ein paar Fragen stellen. An welcher Erkrankung bist du gestorben?«

Der Vater:       »Meine Prüfung war zu Ende.«

Herr Georges: »Wo hast du dir die Ablagerung eingeholt, die sich in deinen Lungen gebildet hat?«

Der Vater:       »Das ist unwichtig. Der Körper ist nichts, der Geist ist alles.«

Herr Georges: »Was ist das für eine Erkrankung, die mich nachts so oft aufweckt?«

Der Vater:      »Das wirst du später erfahren.«

Herr Georges: »Ich glaube, dass es eine schlimme Erkrankung ist, würde aber gern für meine Kinder noch weiterleben.«

Der Vater:       »Sie ist nicht schlimm. Das Herz eines Menschen ist eine Maschine für das Leben. Lass der Natur ihren freien Lauf.«

Herr Georges: »Da du hier anwesend bist, in welcher Gestalt befindest du ich?«

Der Vater:      »In derselben Gestalt wie mein materieller Körper.«

Herr Georges: »Bist du an einer bestimmten Stelle?«

Der Vater:      »Ja, hinter Ermance.«

 

Anmerkung: Ermance war der Name der Frau, die für diese Kommunikation als Medium diente.

 

Herr Georges: »Könntest du dich für uns sichtbar machen?«

Der Vater:       »Wozu denn? Du würdest Angst haben.«

Herr Georges: »Siehst du uns alle, die hier anwesend sind?«

Der Vater:       »Ja«

Herr Georges: »Hast du eine Meinung über jeden von uns, die hier sind?«

Der Vater:       »Ja«

Herr Georges: »Möchtest du jedem Einzelnen von uns etwas sagen?«

Der Vater:       »Wie meinst du das?«

Herr Georges: »Ich meine es unter dem moralischen Gesichtspunkt.«

Der Vater:       »Ein andermal. Es reicht für heute.«

 

Die Auswirkung dieser Kommunikation auf Herrn Georges war immens, und ein ganz neues Licht schien seine Ideen zu erleuchten. Die Sitzung, der er am nächsten Tag bei der Somnambulen[1], Frau Roger, beiwohnte, nahm ihm schließlich die wenigen Zweifel, die ihm noch verblieben sein könnten. Im Folgenden ist ein Auszug aus dem Brief, den er mir darüber schrieb:

“Diese Dame erzählte mir spontan so präzise Einzelheiten über meinen Vater, meine Mutter, meine Kinder und meine Gesundheit; sie schilderte mit einer solchen Genauigkeit alle Umstände meines Lebens und erwähnte dabei Ereignisse, an die ich mich seit langem nicht mehr erinnerte. Mit einem Wort, sie gab mir so offensichtliche Beweise für diese wunderbare Gabe, die die hellsehenden Somnambulen besitzen, dass ich ab diesem Moment völlig überzeugt war. Bei der Kommunikation mit meinem Vater offenbarte er mir seine Anwesenheit, während ich auf der Sitzung bei Frau Roger sozusagen Augenzeuge des außerkörperlichen Lebens, des Lebens der Seele war. Um so ausführlich und genau schildern zu können, was sich etwa 800km entfernt befand und nur mir bekannt war, musste man in der Lage sein, es zu sehen. Nun, da die Somnambule es nicht mit den Augen ihres Körpers hätte sehen können, gab es dementsprechend ein geheimnisvolles, unsichtbares Band, das sie mit den abwesenden Menschen und Dingen, die sie noch nie gesehen hatte, verband. Es gab somit etwas außerhalb der Materie. Was könnte es aber anderes sein als das, was man Seele nennt: Das intelligente Wesen, dessen materieller Körper nichts als eine Hülle ist, aber deren Wirkungskreis viel weiter reicht als unserer?“

Heutzutage ist Herr Georges nicht nur kein Materialist mehr, sondern er ist auch einer der überzeugtesten und eifrigsten Anhänger des Spiritismus, worüber er zweifach glücklich ist. Freude bereiten ihm ebenfalls das Vertrauen, das ihm jetzt die Zukunft einflößt, und das Vergnügen, das er jetzt daran findet, Gutes zu tun.

Diese auf den ersten Blick sehr einfache Kommunikation ist in mehrfacher Hinsicht recht bemerkenswert. Der Charakter des Vaters von Herrn Georges schlägt sich in den oben wiedergegebenen kurzen und ernsten Antworten nieder, die für ihn typisch waren. Er sprach wenig, verlor niemals ein unnützes Wort. Aber es ist nicht mehr der alte Skeptiker, der mit seinem Sohn kommuniziert: Er erkennt seinen Irrtum an. Sein Geist, jetzt freier und klarer blickend, drückt die Einheit und Macht Gottes durch folgende bewundernswerte Worte aus: Nur er ist seinesgleichen. Wer dies behauptet, ist derselbe Mann, der noch vor seinem Tod materialistisch eingestellt war und dennoch jetzt sagt: Der Körper ist nichts, der Geist ist alles, sowie folgenden erhabenen Satz: Kannst du nachts sehen, was du tagsüber siehst? Für den aufmerksamen Beobachter hat alles eine Bedeutung, so findet er bei jedem Schritt die Bestätigung der großen Wahrheiten, die die Geistwesen beibringen. 



[1] Somnambulismus: Am Ende des 18. Jahrhunderts entdeckte der deutsche Arzt Franz Anton Mesmer (1734-1815), dass der Mensch eine Art Energie besitzt, die er als tierischen Magnetismus bezeichnete und später auch als magnetisches Fluidum bekannt wurde. Er fand heraus, dass, wenn diese Energie in Disharmonie gerät, Erkrankungen im menschlichen Körper entstehen können. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis entwickelte er Heiltechniken; eine von ihnen bestand darin, Energie von einem gesunden Menschen (genannt Magnetiseur) auf einen Erkrankten durch Handauflegen zu übertragen, ohne ihn berühren zu müssen. Diese Technik führte zur Heilung zahlreicher Menschen, trotz des starken Widerstandes der konventionellen Medizin der damaligen Zeit. Später entdeckte ein Schüler Mesmers, nämlich der Marquis von Puységur (1751-1825), dass die Übertragung dieser Energie auf gewisse Menschen bewirkte, dass diese in einen Trancezustand fielen, der dem Somnambulismus (Schlafwandeln) ähnelte, weswegen er ihn als künstlichen Somnambulismus bezeichnete. In diesem Zustand wurden sie Somnambule genannt und handelten oft so, als ob sie hypnotisiert wären. In anderen Fällen stellte Puységur aber fest, dass gewisse Menschen während dieses Zustandes über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügten, wie z.B. über die Fähigkeit, die Gedanken anderer zu lesen, in verschlossenen Räumen aufbewahrte Gegenstände und Hunderte von Kilometern entfernte Menschen zu sehen, die Erkrankung im eigenen Körper oder im Körper einer anderen Person ausführlich zu beschreiben, sowie auf die angemessene Behandlung dagegen hinzuweisen. Diese Fähigkeiten wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von zahllosen Forschern gründlich untersucht, von denen viele ihre Nachforschungen in Büchern veröffentlichten.

 

 

 

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(Ausgabe vom Januar 1858 - Fortsetzung)