Einige Klärungen aus dem Buch Himmel und Hölle
(einem der Grundwerke der spiritistischen Lehre)
(Fortsetzung 11)
Lemaire
Im Norden Frankreichs wurde ein Mann namens Lemaire von einem Schwurgericht
zum Tode verurteilt und schließlich am 31. Dezember 1857 hingerichtet. Am 29. Januar 1858 wurde seine Seele auf einer Sitzung zur
Kommunikation mit Geistwesen gerufen und es ergab sich folgender Dialog:
(Lemaire): “Hier bin ich.”
(Sitzungsteilnehmer): “Was fühlen
Sie, wenn Sie uns jetzt sehen?”
(Lemaire): “Scham.”
(Sitzungsteilnehmer): “Waren Sie bis zum Augenblick, als Sie hingerichtet wurden,
bei Bewusstsein?”
(Lemaire): “Ja.”
(Sitzungsteilnehmer): “Wussten Sie gleich nach Ihrer Hinrichtung, dass Sie sich bereits in der geistigen
Welt befanden?”
(Lemaire): “Ich war in einem sehr verwirrten Zustand, von dem ich mich noch nicht ganz erholt habe. Ich habe einen
furchtbaren Schmerz gespürt und es schien mir, als ob er von meinem Herzen ausginge. Ich habe etwas am Fuß des Schafotts rollen sehen.
Als ich Blut fließen sah, wurde mein Schmerz umso stechender.”
(Sitzungsteilnehmer): “War das ein rein physischer Schmerz, ähnlich
dem einer schweren Wunde, die etwa durch die Amputation einer Gliedmaße verursacht wird?”
(Lemaire): “Nein; in der Tat waren es Schuldgefühle,
ein großer seelischer Schmerz.”
(Sitzungsteilnehmer): “Wann haben Sie diesen seelischen Schmerz zu spüren begonnen?”
(Lemaire): “Sobald
sich meine Seele von meinem Körper getrennt hat.”
(Sitzungsteilnehmer): “Aber welches hat den physischen Schmerz, der durch Ihre Enthauptung
verursacht wurde, empfunden: Ihr Körper oder Ihre Seele?”
(Lemaire): “Der seelische Schmerz war in meiner Seele, während mein Körper
den physischen Schmerz spürte. Aber sobald sich meine Seele vom physischen Körper trennte, spürte sie diesen physischen Schmerz weiter.”
(Sitzungsteilnehmer): “Haben
Sie Ihren verstümmelten Körper gesehen?”
(Lemaire): “Ich habe etwas Formloses gesehen, womit ich noch verbunden zu sein schien. Aber
ich fühlte mich noch intakt, das heißt, ich war ich selbst.”
(Sitzungsteilnehmer): “Wie hat dieser Anblick auf Sie gewirkt?”
(Lemaire): “Mein
Schmerz war zu stark; ich war ihm vollkommen ausgesetzt.”
(Sitzungsteilnehmer): “Ist es wahr, dass noch einige Augenblicke nach der
Enthauptung der Körper weiterlebt, und dass der Enthauptete bei Bewusstsein bleibt?”
(Lemaire): “Die Seele trennt sich nach und nach.
Je stärker sie mit dem Körper verbunden ist, desto langsamer vollzieht sich die Trennung.”
(Sitzungsteilnehmer): “Man soll bereits
im Gesicht bestimmter enthaupteter Menschen den Ausdruck von Zorn und Bewegungen beobachtet haben, als ob sie etwas sagen wollten.
Ist das die Folge einer unwillkürlichen Muskelkontraktion oder eines freiwilligen Aktes?”
(Lemaire): “Es handelt sich um einen freiwilligen
Akt, da sich die Seele dieser Menschen noch nicht vom Körper getrennt hat.”
(Sitzungsteilnehmer): “Welches war das erste Gefühl, das
Sie beim Eintritt in die geistige Welt hatten?”
(Lemaire): “Unerträgliches Leiden; so etwas wie quälende Schuldgefühle, deren Ursache
ich nicht kannte.”
(Sitzungsteilnehmer): “Sind Sie mit Ihren Komplizen, die zur gleichen Zeit wie Sie hingerichtet wurden, zusammen?”
(Lemaire): “Leider
ja. Diese gegenseitigen Blicke sind eine ständige Qual; jeder von uns wirft dem anderen sein Verbrechen vor.”
(Sitzungsteilnehmer): “Begegnen
Sie Ihren Opfern?”
(Lemaire): “Ich sehe sie ... sie sind glücklich ... ihr Blick verfolgt mich ... ich fühle, wie er tief in meine
Seele dringt ... vergebens versuche ich, ihm auszuweichen.”
(Sitzungsteilnehmer): “Was empfinden Sie beim Anblick Ihrer Opfer?”
(Lemaire): “Scham
und Schuldgefühle. (...) und dennoch hasse ich sie noch.”
(Sitzungsteilnehmer): “Und was empfinden Ihre Opfer bei Ihrem Anblick?”
(Lemaire): “Mitleid.”
.
.
.
(Sitzungsteilnehmer): “Bedauern
Sie, wie Sie Ihr Leben auf der Erde geführt haben?”
(Lemaire): “Ich bedaure nur meine Verbrechen. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte,
dann würde ich sie nicht mehr begehen.”
(Sitzungsteilnehmer): “Lag der Hang zum Bösen in Ihrem Wesen, oder wurden Sie vom Umfeld, in
dem Sie gelebt haben, beeinflusst?”
(Lemaire): “Aufgrund meiner noch geringen moralischen Entwicklung lag der Hang zum Bösen in meinem
Wesen. Als ich mich vor meiner Reinkarnation noch in der geistigen Welt befand, habe ich Gott um mehr gebeten, als meine Kräfte zuließen:
Da ich mich für stark gehalten habe, entschied ich mich für eine schwierige Prüfung und gab schließlich den Versuchungen des Bösen
nach.”
(Sitzungsteilnehmer): “Wenn Sie eine Erziehung mit guten moralischen Werten bekommen hätten, hätte man Sie vom kriminellen Weg
abbringen können?”
(Lemaire): “Ja, aber ich hatte mir das Umfeld ausgesucht, in dem ich geboren werden sollte.”
(Sitzungsteilnehmer): “Hätten
Sie nicht ein rechtschaffener Mensch werden können?”
(Lemaire): “Ein schwacher Mensch ist unfähig, sowohl Gutes als auch Böses zu tun.
Vielleicht hätte ich meine böse Seite korrigieren können, aber ich wäre nicht soweit gegangen, Gutes zu tun.”
(Sitzungsteilnehmer): “Glaubten
Sie an Gott, als Sie auf der Erde lebten?”
(Lemaire): “Nein.”
(Sitzungsteilnehmer): “Man sagt aber, dass Sie unmittelbar vor der Hinrichtung
Reue gezeigt haben. Stimmt das?”
(Lemaire): “Ich glaubte an einen rachsüchtigen Gott ... ich hatte Angst davor, was er mit mir angesichts
all meiner Verbrechen tun würde.”
(Sitzungsteilnehmer): “Ist Ihre Reue jetzt ehrlicher?”
(Lemaire): “Oh, ja! Ich sehe, was ich getan
habe.”
(Sitzungsteilnehmer): “Und wie denken Sie jetzt über Gott?”
(Lemaire): “Ich fühle ihn zwar, begreife ihn aber nicht.”
(Sitzungsteilnehmer): “Finden
Sie die Strafe gerecht, zu der Sie auf der Erde verurteilt wurden?”
(Lemaire): “Ja.”
(Sitzungsteilnehmer): “Hoffen Sie, Verzeihung für
Ihre Verbrechen zu erlangen?”
(Lemaire): “Ich weiß es nicht.”
(Sitzungsteilnehmer): “Wie hoffen Sie, Ihre Verbrechen wiedergutzumachen?”
(Lemaire): “Durch
neue Prüfungen auf der Erde. Obwohl es mir so vorkommt, als ob es eine Ewigkeit dauern würde, bis ich reinkarniere und durch sie gehen
kann.”
(Sitzungsteilnehmer): “Wo sind Sie jetzt?”
(Lemaire): “Ich bin in meinem Leiden.”
(Sitzungsteilnehmer): “Ich meine, an welcher
Stelle dieses Raums Sie sind.”
(Lemaire): “In der Nähe des Mediums.”
(Sitzungsteilnehmer): “Könnten Sie uns sagen, wie Sie aus dem Gefängnis
der Stadt Montdidier entkommen sind?”
(Lemaire): “Ich weiß es nicht mehr ... mein Leiden ist so groß, dass ich mich nur noch an das
Verbrechen erinnere ... Lassen Sie mich!”
(Sitzungsteilnehmer): “Könnten wir auf irgendeine Weise helfen, Ihr Leiden zu lindern?”
(Lemaire): “Wünschen
Sie einfach, dass meine Sühne bald beginnt.”